In Bremerhaven konnte eine Vergewaltigungsserie in den Jahren 1998 bis 2003 unter Einbeziehung der operativen Fallanalyse und durch die erste DNA-Reihenuntersuchung im Lande Bremen aufgeklärt werden.

In den Jahren 1998 bis 2003 kam es in Bremerhaven zu einer Vielzahl von Vergewaltigungen, bei denen der Täter jeweils zur Nachtzeit über einen Balkon oder ein Fenster in die Wohnungen der geschädigten Frauen eingestiegen ist. Aufgrund der Ermittlungen stand sehr schnell fest, dass zumindest fünf dieser Sexualstraftaten einem Serientäter zuzuordnen waren. Denn an den verschiedenen Tatorten konnten identische serologische Spuren gesichert werden.

Trotz großer Anstrengungen blieben die Ermittlungsmaßnahmen zunächst über mehrere Jahre ohne Erfolg. Auch mit Hilfe eines Phantombildes, mit dem nach dem unbekannten Täter gefahndet wurde, konnte dieser nicht ermittelt werden. Selbst ein Filmbeitrag in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“, der am 01.04.2004 ausgestrahlt wurde, führte nicht zum gewünschten Ergebnis. Letztendlich entschlossen sich die Ermittler der Kriminalpolizei Bremerhaven die damals noch recht neue Dienststelle zur Erstellung einer Operativen Fallanalyse des Landeskriminalamtes Bremen einzubinden, um u. a. ein detaillierteres Täterprofil fertigen zu lassen.

Die Bremer Kollegen werteten dabei alle Ermittlungsunterlagen, insbesondere die Tatortbefundberichte, die Vernehmungen der geschädigten Frauen sowie die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchungen aus, um Aussagen hinsichtlich des mutmaßlichen Täters machen zu können. Unter zusätzlicher Anwendung der Methode einer geografischen Fallanalyse kamen die Fallanalytiker zu dem Ergebnis, dass der Täter
• in einem einzugrenzenden Bereich des Stadtteiles Bremerhaven-Lehe wohnt
• Deutscher ist
• zwischen 25 und 40 Jahre alt ist
• allein oder noch bei den Eltern lebt
• bislang nur geringfügig polizeilich in Erscheinung getreten ist.

Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde der Entschluss gefasst, einen DNA-Massentest durchzuführen, um auf diese Weise den Täter zu überführen. Bei einem solchen Massentest, der erst später unter der Überschrift einer „Molekulargenetischen Reihenuntersuchung“ in die Strafprozessordnung aufgenommen wurde, werden den Teilnehmern Speichelproben entnommen. Diese werden anschließend im Labor molekulargenetisch untersucht und es wird ein DNA-Identifizierungsmuster erstellt. Dieses Muster vergleicht man den an den Tatorten gesicherten serologischen Spuren.

Das Ergebnis der Fallanalytiker des Landeskriminalamtes Bremen mit dem erstellten Täterprofil traf auf ca. 2450 Bremerhavener Männer zu, die nach anfänglichen rechtlichen Schwierigkeiten im Mai 2004 an einem Wochenende zu einem Massentest aufgerufen wurden. Von diesen ca. 2450 Männern folgten nur 1152 der Einladung, so dass alle anderen Personen in den Folgemonaten persönlich aufgesucht wurden, um sie zur Abgabe einer freiwilligen Speichelprobe zu bewegen. An dieser äußerst aufwändigen Aktion waren fast alle damaligen Ermittler der Kriminalpolizei beteiligt. In einigen sehr zeitintensiven Gesprächen gelang es dann, weitere 1200 Männer davon zu überzeugen, eine Speichelprobe abzugeben. Die Untersuchungen all dieser Speichelproben verliefen leider negativ, die des Täters war nicht dabei.

Weitere Männer, die nicht bereit waren, freiwillig an der Aktion mitzuwirken, konnten aufgrund herkömmlicher Ermittlungsmaßnahmen (gesichertes Alibi, vollkommen abweichendes äußeres Erscheinungsbild) als Täter ausgeschlossen werden. Es blieben letztendlich 11 Personen übrig, gegen die aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse vom Amtsgericht Bremerhaven ein richterlicher Beschluss zur Abgabe einer Speichelprobe, im Weigerungsfall einer Blutprobe, erlassen wurde.

Zu einem Zeitpunkt, als keiner mehr so richtig an einen Erfolg dieses Massentests glaubte und schon erste Überlegungen angestellt wurden, die Zielgruppe evtl. zu erweitern, erreichte die Ermittler die Treffermeldung. Am Nachmittag des 31.05.2005, ein Jahr nach dem Beginn des Massentests, wurde bekannt, dass eine der entnommenen Speichelproben mit den an den Tatorten aufgefundenen serologischen Spuren übereinstimmt.

Ein damals 35jähriger Bremerhavener, der im September 2004 nach Dresden verzogen war und zuvor in Bremerhaven-Lehe wohnte, hatte aufgrund des erlassenen richterlichen Beschlusses in Dresden seine Speichelprobe abgegeben. Am 01. Juni 2005 wurde er dort festgenommen. In der Folge wurde er vom Landgericht Bremen wegen Vergewaltigung in vier Fällen und einer sexuellen Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt.