Der Warenumschlag über den Seeweg nach Bremerhaven hat seit Ende des zweiten Weltkriegs zunehmend an Bedeutung gewonnen. Heute wird in Bremerhaven, neben Rotterdam, Antwerpen und Hamburg, eine der bedeutendsten Hafenanlagen Europas unterhalten. Auf diesem Wege haben jedoch nicht nur legale Güter den Weg zu uns gefunden. Ein herausragender Kriminalfall ereignete sich vor mehr als 30 Jahren, als Kokain aus Südamerika auf einem nicht seetauglichen Schiff über den Atlantik nach Bremerhaven geschickt wurde.

Bereits in den 70er Jahren versuchten Drogenhändler die Betäubungsmittel in eigens dafür präparierten Kraftfahrzeugen zu verstecken, die zumeist als Oldtimer aus Übersee in den Bremerhavener Hafen gelangten. Der guten Arbeit der Zollbehörden war es zu verdanken, dass viele Kokainlieferungen von versierten Beamten aufgespürt und sichergestellt werden konnten. Zudem waren die geschmuggelten Mengen im unteren Kilogrammbereich zu klein und damit langfristig zu wenig lukrativ für Händler aus Südamerika und mehrere Wiederverkäuferebenen in Europa. So bestellte 1989 eine in München ansässige Tätergruppierung bei ihren südamerikanischen Lieferanten die damals sehr ungewöhnlich große Menge von 650 kg Kokain, die „frei Haus“ geliefert werden sollte. Die Täter wussten nicht, dass bei den Geschäftsabsprachen bereits zwei verdeckte Ermittler des bayerischen Landeskriminalamts involviert waren.

Vom Lieferanten in Südamerika wurde der Kapitän eines eigentlich für eine Ozeanüberquerung gänzlich ungeeigneten Küstenmotorschiffs mit dem Namen „Don Juan“ überredet, das Kokain in vielen handlichen Paketen in einem leeren Dieseltank zu verstecken. Er sollte den heruntergekommenen kleinen Frachter mit dem Kokain, einer Ballastladung Sand und seiner ahnungslosen Mannschaft an Bord von Südamerika aus nach Europa entsenden. Erst auf hoher See offenbarte der Kapitän seiner überraschten Besatzung das ungewöhnliche Reiseziel und versprach eine erhöhte Heuer. Mit dem letzten Tropfen Dieselkraftstoff und aufgezehrter Verpflegung erreichte die „Don Juan“ an einem Sonntagnachmittag die Hafeneinfahrt an der Unterweser.

Die beiden verdeckten Ermittlungsbeamten aus München, die aufgrund ihres Erscheinungsbildes mit bunten Hawaiihemden und weißen Hosen eher der Münchner Schickeria als einer Polizeibehörde zuzuordnen waren, erwarteten das Schiff bereits standesgemäß getarnt in einem weißen Mercedes Sportwagen auf der Kaje. Da sich Ende der 80er Jahre die mobile Telefontechnik erst entwickelte, beschränkten sich die Kommunikationsmöglichkeiten der Ermittler noch auf ein fest eingebautes C-Netztelefon in ihrem „Dienstfahrzeug“. Das hatten sie auf der Kaje jedoch so eifrig für die weiteren Geschäftsverhandlungen benutzt, dass die Batterie mangels Energie den Start des Sportwagens verweigerte. Erst als ein herbeigerufenes Taxi Überbrückungshilfe leistete, konnte die Fahrt in Richtung München angetreten werden. Das Kokain war zwischenzeitlich aus dem Dieseltank des Schiffs geborgen und in einen eigens dafür angemieteten VW-Bus umgeladen worden, in dem es von den beiden verdeckten Ermittlern quer durch die Republik an seinen Bestimmungsort gebracht wurde. Bei Übergabe des Kokains an die Auftraggeber in München konnten bei deren Festnahme die 650 kg Kokain im Straßenverkaufswert von 2,6 Millionen DM sichergestellt werden.

In Bremerhaven wurden zeitgleich der Kapitän und seine 15-köpfige Besatzung durch das SEK auf dem Schiff überrascht und festgenommen. In einem großen Prozess in München, der unter viel Medieninteresse mit den größten Sicherheitsvorkehrungen stattfand, wurden die Mannschaftsangehörigen zu hohen Haftstrafen verurteilt. Allein der Kapitän erhielt eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren. Er verstarb später im Gefängnis und sah seine Heimat Surinam nie wieder.

Seit dieser Zeit hat sich die Zusammenarbeit zwischen den Zoll- und Polizeibehörden in den Fällen professioneller Schmuggeldelikte für Betäubungsmittel aus der organisierten Kriminalität bewährt. Bis heute hat sich an der Doppelzuständigkeit für den Rauschgiftschmuggel in der Gesetzgebung nichts geändert. So hat es sich als besonders sinnvoll erwiesen, die personellen und sachlichen Ressourcen zweier Behörden zu bündeln und dadurch im Bereich der Strafverfolgung des Phänomenfeldes besonders erfolgreich zu sein. Mit mehreren gemischten Ermittlungsgruppen, die fallbezogen gegen die Schmugglerringe vorgingen, gelangen in der Vergangenheit spektakuläre Sicherstellungen und Festnahmen.

Aber nicht nur auf Behördenseite entwickelte sich Professionalität, auch die Täter setzen inzwischen auf ein weit verzweigtes internationales Netzwerk, das am Bestimmungsort das unverzichtbare Hafenpersonal einbindet. Einmal korrumpierte Mitarbeiter sind in der Hand der Täter oder werden immer wieder mit hohen Geldsummen für kleine Gefälligkeiten wie die Weitergabe von Zugangsberechtigungen oder das Einschleusen von Fahrzeugen in den Sicherheitsbereich des Hafens bestochen. So wird sichergestellt, dass das zumeist in Containern geschmuggelte Rauschgift im Zielhafen schnell in die Hände der Mittäter gelangt, die für die weiteren Vertriebswege in nord-, ost- und südeuropäische Länder sorgen. Durch gemeinsame Ermittlungsgruppen aus Zoll und Polizei konnten in den letzten Jahren in Bremerhaven mehrere hundert Kilo Kokain sichergestellt werden, deutschlandweit waren es allein in 2019 über zehn Tonnen.